03.08.2020

Wahlrecht mit 16 Jahren?

Es ist nicht immer einfach, inmitten einer Empörungsgesellschaft einen Standpunkt zu vertreten, den das Gegenüber schnell als persönliche Beleidigung auffasst, auch wenn das gar nicht beabsichtigt ist.
Daher möchte ich vorab in aller Deutlichkeit betonen, dass es zahlreiche junge Menschen um die 16 Jahre gibt, die sich politisch engagieren und z.B. im Rahmen der “Fridays for Future”- Bewegung das einfordern, was auch das Grundgesetz der nachwachsenden Generation zuspricht:
Art. 20a:
„Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.“

Als Abrundung der Grundrechte verweist das Grundgesetz auf die besondere Verantwortung der amtierenden Generationen, die natürlichen Lebensgrundlagen für die nachfolgenden Generationen zu erhalten.
Egal, was wir über Greta Thunberg denken: Eine minderjährige Schwedin hat Ihrer Generation eine Stimme gegeben und den Mächtigen dieser Welt die Stirn geboten.
Die Einflussnahmen für Minderjährige sind dieser Tage so hoch wie nie zuvor und das Handeln der politischen Akteure hat sehr wohl auch diese gesellschaftliche Gruppe im Blick, nicht zuletzt, weil es sich hierbei ja um direkt nachrückendes Wahlvolk handelt.

Der Verleihung des Wahlrechtes für Minderjährige unter 18 Jahren ist dennoch eine Absage zu erteilen:
Entwicklungspsychologisch sind viele mit 16 Jahren noch mitten in der Adoleszenz- insbesondere Jungen hängen in der geistigen Entwicklung den Mädchen hinterher und erstreckt sich bei vielen bis zum 21. Lebensjahr. 
Ich wage außerdem zu behaupten, dass die Abhängigkeiten von bestimmten Stimmungen und Meinungsmachern in den sozialen Medien bei 16jährigen tendenziell höher ist, als in späteren Jahren. So ist es bedenklich, dass ein 55minütiges Video des hippen Youtubers Rezo vor einigen Monaten bei vielen ausreichte, um die CDU “zu zerstören“. Meinungsbildung ist ein Prozess, der gelernt werden muss und eine beständige Reflektion der eigenen Ansichten und Werte mit sich bringt. 18jährige, die gerade an diversen Weggabelungen Ihres Lebens stehen, sind hier tendenziell weiter, als 16jährige, die noch bei Mutti wohnen und brav in die Schule gehen.
Je nach Lebensweg, beenden viele mit 18 Jahren ihre Schullaufbahn, beginnen ein Studium, beenden ihre Ausbildung, erkunden die Welt, leisten ein soziales Jahr, machen den Führerschein, der einen enormen Mobilitätsschub verleiht und ziehen von Zuhause aus.
Es macht also durchaus Sinn, das wichtigste Recht eines deutschen Staatsbürgers weiterhin der sog. „Volljährigkeit“ zuzuordnen, denn sie  bringt eine bewährte Grundfertigkeit mit sich, an denen sich auch die Zukunft unserer Gesellschaft ausrichten wird.

Das Grundgesetz betont in Artikel 38 (Absatz 1&2) die herausragende Bedeutung, die sich mit dem Wahlrecht verbindet:
“(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.
(2) Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt.”

Im Rahmen des Ausstellungsbetriebes stelle ich immer wieder fest: Minderjährige Schüler haben sehr viel Interesse aber oft sehr wenig Wissen und Erfahrungen bezüglich der Grundwerte unserer Gesellschaft. Es zeugt aus meiner Sicht von einer gewissen Blauäugigkeit und Fahrlässigkeit, 16jährige mit einem uneingeschränkten Wahlrecht auszustatten und diese damit zu überfordern. 

Zu guter Letzt stellt sich die Frage nach der Notwendigkeit einer evtl. Herabsetzung des Wahlrechtsalters: Haben wir aktuell eine Politikverdrossenheit? Werden ganze Generationen übersehen und vom politischen Geschehen abgehängt? Geht kaum noch jemand zur Wahlurne? All das ist nicht der Fall, daher sollte am vorhandenen Wahlrecht mit 18 Jahren, dem bedeutsamsten aller Bürgerrechte, auch nichts geändert werden.

Tim Behrensmeier - 12:39:34 @ Grundgesetz im Gespräch