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22.04.2020

Zur Kasse bitte!

Corona-Sonderabgabe für Reiche und die soziale Gerechtigkeit
“Macht dann 600.000 Euro für den gebeutelten Staatshaushalt- zahlbar in 3 Jahresraten.”
So könnte es demnächst den Reichen im Lande an den Kragen gehen, wenn es nach einer Überlegung des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages geht. Zunächst einmal geht es in diesem Papier nur um eine Abwägung, ob so ein Vorstoß verfassungsgemäß wäre. 
www.bundestag.de/resource/blob/691376/2feb28d7057bf918bd18254ab06d95ad/WD-4-041-20-pdf-data.pdf?fbclid=IwAR2E_YJ2tNWOGlkCEUZsTEbP8O75LMyTbd3lQFX4Xuz-l9MNYjkOh2_Dko0
Er öffnet gegebenenfalls eine interessante Frage der solidarischen Kostenbeteiligung an der Corona-Krise, denn eines ist klar: Das beständige Schnüren von Hilfspaketen und die lauten Rufe nach finanzieller Zuwendung wird sich der Staat nicht mehr lange leisten
können. Bereits jetzt taucht die Frage auf, wer das alles auf Dauer bezahlen soll? Einfache Antwort: Wir alle, daran führt kein Weg vorbei. Lediglich die Lastenteilung lässt sich gestalten und eröffnet dieser Tage auch die Möglichkeit einer gesamtgesellschaftlichen Solidaritätsleistung, die in der deutschen Nachkriegsgeschichte ihres Gleichen sucht- eine Jahrhundertchance für soziale Gerechtigkeit.

Die Schere zwischen Arm und Reich ging in den letzten Jahren immer weiter auseinander. Dabei hat sich Vermögen mehr oder weniger „verselbstständigt“, d.h. es ist punktuell dermaßen angewachsen, dass sich zunehmend monopolartige Konstellationen herausgebildet haben.
Ist der zwangsläufige und mitunter fragwürdige Mehrwert, der sich daraus ergibt, tatsächlich der Lebensleistung der reichen Inhaber zuzuschreiben? Oder ist er vielmehr einem radikalen Verdrängungswettbewerb geschuldet? Im letzteren Fall ist aus meiner Sicht ein sozial begründbarer einmaliger Zugriff auf Vermögen auch ethisch vertretbar. Schon länger wirkt es auch ungerecht, die Mitarbeiter der globalen Riesen nicht angemessen am Wachstumswert ihres Arbeitgebers zu beteiligen, während in den Top Managementetagen schwindelerregende Millionengehälter und Abfindungen ausgezahlt werden. Heutzutage lassen sich zudem Millionen damit verdienen, gegen ganze Volkswirtschaften und Unternehmen zu wetten. Auch Waffengeschäfte zählen zu den besonders lukrativen und zugleich fragwürdigen Goldeseln unserer Tage.
Immobilienbesitzer die zu Höchstpreise vermieten sollten ebenfalls zur Kasse gebeten werden. Die Krise bietet eine gute Gelegenheit aus der Not heraus für mehr Gerechtigkeit auf dem Wohnungsmarkt zu sorgen.

Im Grundgesetz Artikel 106, 5 Absatz 1 wird eine Vermögensabgabe als Steuer definiert. Der Wissenschaftliche Dienst stellt in seiner Prüfung gesamthaft fest, dass diese Forderung durchaus Verfassungskonform wäre und unter bestimmten Aspekten der Einmaligkeit, der staatlichen Sonderlage und der Zweckbindung zum Einsatz kommen könnte.
Jenseits der Ausrichtung einer Sonderabgabe für Reiche scheint mir der Artikel 14 Absatz 2  des Grundgesetzes von besonderer Bedeutung: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen“ Was bedeutet es, diesen Grundwert unserer Verfassung mal jenseits der reichsten 10 Prozent (die über 50% des Gesamtvermögens besitzen) der Bevölkerung durch zu denken?

Vorschläge für eine sozialverträgliche Corona-Lastenteilung:
Um sozialen Unfrieden zu vermeiden, müssen also alle gesellschaftlichen Gruppen an den Kosten beteiligt werden. Solidarität zur Bekämpfung der Krise kann demnach nur entstehen, wenn jeder sein Opfer bringt. Eine einmalige Abschlagszahlung ist wohl nur für Vermögende leistbar. Für alle anderen Einkommensgruppen stellt sich daher eher die Frage nach einem monatlichen Solidarabschlag, der auf seine Verfassungskonformität geprüft werden müsste.
Volkswirtschaftlich können wir zumindest mittelfristig nicht so weiter machen, wie vor der Krise, wir würden sonst über unsere Verhältnisse leben. Klar sollte ist: alle legen drauf- solidarisch. Wenn es kaum Profiteure der Krise gibt, steigt auch die Opferbereitschaft des Einzelnen, egal welcher Einkommensschicht er angehört. Sozialneid wird so unterbunden und die Schere zwischen Arm und reich wieder ein wenig geschlossen. Das ist jedoch ein ganz anderer Ansatz, als die mehrfach geforderte Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens oder die Umverteilung von Vermögen nach sozialistischem Vorbild. Auch sollten wir davon absehen, das reichste Prozent der Bevölkerung zu Sündenböcken zu machen, sie in Arbeitslager zu stecken, oder gar erschießen zu wollen, wie Vertreter der Linken schon mal angedeutet haben bzw. nebulös damit kokettieren.  

Ab wann ist man eigentlich reich? Verglichen mit einem wesentlichen Teil der Weltbevölkerung, verfügen bereits Hartz4 Empfänger über ein gewisses Vermögen. Neben dem Hartz4 Satz gibt es Sonderzahlungen, Mietzuschüsse, freien Zugang zu Bildung, Vereinen und Krankenversicherung sowie Vergünstigungen verschiedenster Art etc. Fragwürdig ist die Tatsache, dass sich in manchen Milieus unserer
Gesellschaft Hartz4 als dauerhaftes Lebensmodel etabliert hat. Eine 4-köpfige Familie kann so bei Anrechnung aller Leistungen ohne weiteres auf ein „Einkommen“ von ca. 1500 Euro bis 2000 Euro zu Lasten des Steuerzahlers „erzielen“. Wen wundert dann noch die oftmals formulierte Entschuldigung von Hartz4 Empfängern: „Arbeit lohne sich nicht!“

Wie attraktiv selbst die unterste „Einkommensschicht“ unseres Sozialsystems ist, zeigt die andauernde Zuwanderung vieler Menschen aus Ländern, die weit entfernt sind vom Lebensstandard unserer sog. „Armen“ in Deutschland. Wer kann es Wirtschaftsflüchtlingen verdenken, in das gelobte Land der “offenen Arme” zu reisen um dort von diesen Sozialleistungen Anteil zunehmen?

In der jetzigen Krise könnte der Staat an dieser Stelle gegensteuern und eine längst überfällige Reform vollziehen: Von der bedürfnisorientierten hin zur bedarfsorientierten Ausrichtung bei Hartz4. Die Deckung des Grundbedarfs ist mit dem Grundgesetz durchaus vereinbar: Wohnraum in geeigneter Größe,  Einkaufsgutscheine und ein monatliches Taschengeld von 150 Euro würden diesen Bedarf decken und ganz nebenbei die Ausbeutung der Sozialsystems einschränken. Arbeit würde sich zudem für den ein oder anderen Hartz4 Empfänger wieder deutlicher lohnen. Zur Deckung von Konsumbedürfnissen war und ist Hartz4 nie gedacht gewesen, sondern als überwiegend vorrübergehendes Fangnetz für Menschen in Not.

Angestellte, Beamte, Mittelschicht und Rentner können nach Einkommen gestaffelt mit einem 10-20% Abschlag des Einkommens am Wideraufbau der Wirtschaft für zunächst mal ein Jahr,  beteiligt werden. Das wäre wahrlich ein “Solidaritätszuschlag”, der allen etwas abverlangt und in einem so reichen Land wie unserem die Opfer vorwiegend auf Luxuskonsum reduziert: Urlaube fallen wesentlich bescheidener aus, der Neukauf der Küche wird verschoben und das alte Auto noch ein Jahr länger gefahren. Dafür bleibt das gute Gefühl, einen gesamtdeutschen Soli zu leisten, damit auch unsere Kinder noch eine Zukunft haben.

Und wie ist das mit den Bundestagsabgeordneten? Würden diese momentan stark geforderten Entscheidungsträger 3 Monate lang die Hälfte Ihrer Bezüge spenden, wären das mal eben 15.000.000 Euro, die mitunter sehr üppigen Nebeneinkünfte nicht mitgerechnet. Hier ginge
es vor allem um eine symbolische Handlung, dass diejenigen, die über die Reichenabgabe entscheiden, sich selbst an diesem Opfer beteiligen, nicht zuletzt weil auch sie verglichen mit dem Großteil der Bevölkerung über ein beträchtliches Einkommen verfügen. Dieser Schritt würde nicht nur eine starke Solidarität bekunden- er würde auch gegen Kritik an der Entscheidung über dir Abgaben der anderen weitgehend immunisieren- praktisch mit gutem Beispiel vorangehen. Jetzt wäre übrigens auch der richtige Zeitpunkt, über eine baldige Reduktion des Bundestages nachzudenken. Ein 80 Millionenvolk braucht sicherlich nicht die zweitgrößte Volksvertretung auf der Welt (gleich hinter China) und ließe sich locker auf 400 Bundestagsabgeordnete reduzieren, ohne dass die Demokratie darunter leiden würde. Die Ersparnisse an dieser Stelle wären weit mehr als symbolhafte 50.000.000 Euro pro Jahr. Daher fordere ich von den Politikern selbst eine deutliche Opferbereitschaft. Erfolgt diese nicht, wird es nicht möglich sein, andere gesellschaftliche Gruppen finanziell zu belangen und gleichzeitig den sozialen Frieden zu wahren.

„Eigentum verpflichtet und soll dem Gemeinwohl dienen“ (GG Art. 14) darf nicht zum Schlachtruf gegen Reiche werden. Vielmehr aber zu einem gesamtgesellschaftlichen Auftrag- bei dem jeder einzelne sein Opfer bringt und sich solidarisch zeigt. Die erforderlichen Abstriche sind kompensierbar. Meine prophetische Sicht: Es wird nicht zu dieser dringend notwendigen Volkssolidarität kommen- dafür ist den Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft dann doch das Hemd viel näher als die Hose. Aber an dieser Stelle irre ich mich gerne und träume weiter von einem starken Deutschland in/durch und nach der Krise.  

Tim Behrensmeier - 17:14:10 @ Grundgesetz im Gespräch